Frauenleben – Leben der Frauen durch die Jahrtausende

Eine kurze Einführung

„Es ist scheinbar ein kleines, ja eitles Ding, zu reden von dem Gegensatz zwischen Weib und Mann, und stecken doch so große Folgerungen darinnen“ (Wilhelm Heinrich Riehl 1855)

Ein kleines, eitles Ding? Wer solches behauptet, hat nicht begriffen, wieviel Unrecht und Leid, Selbstsaufgabe und Großherzigkeit in den so großen Folgerungen von den Frauen verlangt wurden und immer noch werden.

Gleichgültig, ob es sich um eine patriarchalisch-hierarchisch strukturierte Gesellschaft handelt oder um eine Gesellschaft, die auf Gleichberechtigung und Individualität ihrer Mitglieder setzt, ein Merkmal haben sie gemeinsam: Es gibt Männer und Frauen und es existiert daher eine Differenzierung nach dem Geschlecht. Eine Differenzierung die notwendig ist, um den Fortbestand der Menschheit zu sichern, aber nicht, um die Selbstüberhöhung des Mannes zu rechtfertigen.

Diese Differenzierung bestimmt das Geschlechterverhältnis in den verschiedenen menschlichen Gesellschaften und wird von kulturellen, gesellschaftlichen, sozialen, ideologischen, wirtschaftlichen und gesetzlichen Normen bestimmt, die sich im Miteinander, Füreinander, Nebeneinander oder sogar Gegeneinander der Gesellschaftsmitglieder ausdrücken.

Will man das Geschlechterverhältnis in einer menschlichen Gesellschaft oder in einer Kultur beschreiben, muss das Vorhandensein von zwei gesellschaftlichen Ebenen, der Makro-Ebene Öffentlichkeit und der Mikro-Ebene Privatheit, den Bedingungen des Alltagslebens erkannt und beachtet werden. Gesellschaftlicher Wandel vollzieht sich immer auf der Makro-Ebene der Gesellschaft, wird aber von der Mikro-Ebene angestoßen und verlangt.

Die Menschheit hat im Zuge ihrer Entwicklung verschiedene Kultur- und Gesellschaftsformen durchlaufen. Die Erforschung dieser historischen Abläufe ist Aufgabe der Geschichtsforschung. Sie beschäftigt sich mit der Erforschung der Makro-Ebene der untersuchten Kultur und wirft nur selten einen Blick auf die Mikro-Ebene der Kultur. Für die Geschlechterforschung ist aber gerade diese Ebene besonders wichtig, denn hier zeigt sich durch den Umgang der Männer mit den Frauen, die Wertschätzung von männlich oder weiblich.

Wir leben heute in einer Gesellschaft, die von den Werten einer demokratischen Gesinnung, der Notwendigkeit von Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aller Mitglieder der Gesellschaft geprägt ist. Es stellt sich nun die Frage: Kann man in so einer Gesellschaft noch patriarchale Spuren und Verhaltensweisen finden, die nicht nur toleriert, sondern als berechtigt angesehen werden?

Die Antwort auf diese Frage ist für die öffentlich- gesetzliche Ebene, der Makro-Ebene der Gesellschaft ein einfaches Nein. In der Republik Österreich gilt laut Verfassung und Rechtslage das Gleichheitsprinzip, d.h. Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aller Gesellschaftsmitglieder.

Für die Mikro-Ebene der Gesellschaft dauert die Antwort länger. Sie ist mit einem weiten Blick in die Vergangenheit verbunden

Wie alles begann.

Wir alle kennen die grobe Abfolge der Kulturstufen in der Entwicklung der Menschheit. Vor- und Frühgeschichte, die schriftlose Zeit, die frühen Hochkulturen, Mittelalter und Neuzeit. Wann und wie vollzogen sich jene einschneidenden Veränderungen in Kultur und Lebensweise, die einen grundlegenden Wandel bewirkten, der sich besonders auf das Leben der Frauen so folgenreich auswirkte? Solche Veränderungen, jeweils als Revolution bezeichnet, sind die „Neolithische Revolution“ im Übergang von der Altsteinzeit zur Jungsteinzeit, die Sesshaftwerdung der Menschen und die, um Jahrtausende später erfolgte „Industrielle Revolution“, dem Beginn des Industriezeitalters.

Die erste Kulturstufe der Menschheit ist jene der Jäger und Sammler, nach neuesten Forschungen an heute noch so lebenden Völkern heißt es Sammler- und Jägerkultur, da gerade das Sammeln viel mehr zur Existenzsicherung beiträgt als das Jagen. Wildbeutergesellschaften sind egalitäre Gesellschaften, Frauen und Männer leben gleichberechtig in der Gruppe. Männer und Frauen leben freie Sexualität, kennen keine feste Partnerschaft. Es ist kein Verbergen der sekundären Geschlechtsmerkmale nötig, es gibt freie Partnerwahl und wechselnde Partnerschaften auch für die Frauen. In einer egalitären Gruppe ist jeder für das Wohlergehen der Gruppenmitglieder verantwortlich, wie die Gruppe für jedes ihrer Mitglieder verantwortlich ist. Der neue Blick auf Völker, die noch in „der Steinzeit“ leben, war den frühen Forschern verschlossen. Sie sahen nur die „schamlosen Frauen“, die unkultivierte Nacktheit und die jagenden Männer. Der „männliche Blick“ in der Forschung ist ein bekanntes, aber zu wenig beachtetes Problem.

Die Neolithische Revolution beendet die egalitäre Gesellschaftsordnung. Die Neolithische Revolution ist die Grundlage aller weiteren Kulturentwicklungen und politischen Organisationsformen. Dieser Entwicklungsschritt der Menschheit geht zu Lasten der Frau. Die Frau verliert die Kontrolle über ihren Körper. Ihr Sexualleben gerät unter die Aufsicht des Mannes. Laut Carel van Schaik und Kai Michel beginnt hier das Elend der Frau. (Schaik/Michel 2016)

Durch die Neolithische Revolution kommt es zu einer grundlegenden Änderung der menschlichen Existenz. Die Neolithische Revolution bringt die Sesshaftwerdung des Menschen und durch Ackerbau und Viehzucht die Aufspaltung in zwei neue, grundverschiedene Lebensweisen: Ackerbau und Viehzucht mit ihrer Ortsgebundenheit und deutlich später, in den Steppengebieten die nomadisierende Lebensweise mit der Viehzucht. Für beide Richtungen gilt: Mit dem Entstehen persönlichen Eigentums kommt das Ende der egalitären Gesellschaft und in weiterer Folge eine Bedeutungsverschiebung von der Gleichwertigkeit der Geschlechter zur Höherwertigkeit des Mannes. Das Patriarchat beginnt sich zu etablieren.

Wenn man davon ausgeht, dass sich in dieser Zeit die menschliche Sprache differenziert auszubilden begann, kann man Spuren dieser Bedeutungsverschiebung auch heute noch finden. Im Deutschen wird sprachlich unter Mann Frau und Mensch unterschieden. Diese Dreiteilung gibt es z.B. im Lateinischen nicht und romanische Sprachen haben dieses Sprachmuster übernommen. Hier ist das Wort für Mann und Mensch deckungsgleich, aber für Frau und Mensch gilt das nicht. Das führt zur Frage: Wurde die Frau als minderes Wesen angesehen, als nicht ganz Mensch?

Latein: Homo, hominis = 1. Mann und 2., als Gattungsbegriff, Mensch und im Plural für Leute. Die Frau ist femina (Kleiner Stowasser, 210)

Französisch: Homme gilt sowohl für Mann als auch für Mensch, während die Frau mit femme bezeichnet wird. (Langenscheidts Taschenwörterbuch, 920, 913)

In der germanischen Sprachgruppe ist diese Erscheinung nicht so stark ausgeprägt. Im Deutschen besteht das generische Maskulinum. Es wird immer dann gebraucht, wenn das natürliche Geschlecht nicht definierbar oder unwichtig ist, wenn also Männer und Frauen gemeint sind. Kurz gesagt: Männer sind gemeint, Frauen können gemeint sein. (Kargl, Wetschanow, Wodak 1997)

Die beginnende Naturalwirtschaft, die Bebauung von Grund und Boden, und die Züchtung von Haustieren macht die Errichtung einer festen Unterkunft notwendig. Die Menschen beginnen Häuser zu bauen und Ställe zu errichten. Das „Ich“ und das „das gehört mir“ beginnt das „Wir“ und „das gehört uns allen“ zu verdrängen. Die Auffassung, dass es persönliches Eigentum geben kann, beginnt sich durchzusetzen und damit die Frage der Weitergabe des Besitzes. Die Antwort darauf ist die Kontrolle der Frau. Um „Kuckuckskinder“ zu vermeiden, darf die Frau nur mit einem Mann sexuell verkehren, dem Vater ihrer Kinder, während der Mann mehrere Frauen gleichzeitig haben kann. Durch die verbesserte Lebenssituation kommen mehr Kinder auf die Welt – es entwickelt sich die Tatsache, dass die Bereiche Kinder, Haus, Stall, Kleintiere, Hausgarten und Obstbau zum Aufgabenbereich der Frau werden, während der Mann Acker- und Weidewirtschaft und Überwachung des Eigentums übernimmt. Mann und Frau arbeiten zusammen, denn nur wenn beide ihre Aufgabenbereiche zufriedenstellend erfüllen, können alle gut leben. Es entwickelt sich das System des „Ganzen Hauses“, das erst im Industriezeitalter sein Ende findet.

Noch eine menschliche Eigenschaft bildet sich aus: Das Streben nach mehr und das Dängen zur Macht. Mehr Grund, mehr Vieh und in weiterer Folge mehr Macht und schließlich die Weiterung zur Herrschaft. Diese Evolution der Menschheit zieht sich über Jahrtausende und führt zur Frage: Stecken wir nicht noch mitten in dieser Evolution?

Die Beobachtung der Natur, das Ausgeliefertsein gegenüber unerklärlichen Wettererscheinungen und das Beobachten des Himmels führte zur Überzeugung von  der Existenz „höherer Mächte“ und über Animismus, Geisterglauben, Ahnenverehrung, Totemismus, Schamanismus, zum Götterglauben und schließlich zum Monotheismus. Die Götter wachen unsichtbar über die Menschen, können helfen und schützen, aber auch zürnen und strafen. Sie sind Götter und Göttinnen, leben über den Menschen in den Wolken, auf hohen Bergen oder im Himmel, während die Menschen auf Erden auf die „Mutter Erde“ zu achten haben. Die Menschen schufen sich Götter nach ihrem eigenen Bild. (Geiss 2008) Da die Götterwelt die menschliche Gesellschaft widerspiegelt, zeigt sich, dass die Frau zwar nicht denselben Status wie der Mann hat, aber durchaus eigenständig entscheiden und handeln kann.

Eine entscheidende Wende im Verständnis von Gott, als dem einzigen höchsten Wesen bringt der Monotheismus. Für die drei monotheistischen Religionen, auch als abrahamitische Religionen bekannt, gibt es nur einen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der immer war und immer sein wird. Er schuf den Menschen als sein Ebenbild als Mann und Frau mit dem Auftrag sich die Erde untertan zu machen.(Genesis 1, 26, 27) Die älteste monotheistische Religion ist das Judentum, das durch den Alten Bund, den Gott mit den Juden schließt, zum auserwählten Volk wird. Auf dem Judentum aufbauend entsteht das Christentum, das durch den Opfertod Christi den Neuen Bund von Gott mit den Menschen schließt. Die jüngste monotheistische Religion ist der Islam, die Unterwerfung unter Gott. Abraham ist der Stammvater aller drei Religionen. Für Juden und Christen durch seinen Sohn Isaak, für die Muslime durch Ismael. Die weitere Geschichte der Menschheit ist weitgehend von diesen drei Religionen geprägt.

Die großen Kulturleistungen im Neolithikum erschöpfen sich nicht in der Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht, sie führen über Bronzezeit und Eisenzeit zur Entwicklung der großen altorientalischen Kulturen, die durch die Entwicklung der Schrift aus der Urgeschichte auftauchen und in die Weltgeschichte eingehen.

Durch die Ergebnisse der historischen Forschung sind wir über die Jeweiligen Makro-Ebenen der Kulturen bestens unterrichtet. Wir kennen die einzelnen Herrscher, die politischen und kriegerischen Entwicklungen, aber wo sind die Frauen? Sie kommen auf der Makro-Ebene nur vor, wenn sie unübersehbar sind, meistens dadurch, dass sie wie ein Handelsgut zum Machterhalt der mächtigen Männer verheiratet werden. Diese Taktik bleibt noch lange erhalten. Das wahre Frauenleben spielt sich auf den Mikro-Ebenen ab, als Frauenleben, das sich nur unwesentlich vom Leben im späten Neolithikum unterscheidet. Das Geschlechterverhältnis wird vom Patriarchat bestimmt, das sich als natürliche und gottgewollte Ordnung versteht.

Der „ Platz des Mannes“? – über die Konstruktion der „unterlegenen“ Frau

Es ist ein weiter Sprung von der Frühgeschichte und der Antike zum europäischen Abendland, jenem Europa, das nach dem Zusammenbruch des Weströmischen Reiches entsteht und den Schritt zur eigenständigen Staatsbildung setzt. Man kann das Abendland auch als das lateinische Europa bezeichnen. Als Kontrast zum Abendland steht das Morgenland mit dem osmanischen Reich im Osten und dazwischen das byzantinische Reich, das aus dem Oströmischen Reich hervorging. Beide Reiche sind hochentwickelt und dem Abendland in Kultur und Wissen überlegen. Ausgehend vom Reich der Franken, aufbauend auf den Resten römischer Kultur und zusammengehalten durch das römische Christentum beginnt in Europa eine weltweit einmalige Entwicklung, die zur wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Überlegenheit führt. Die patriarchale Struktur in der Gesellschaftsordnung bleibt erhalten und wird in der Neuzeit sogar verstärkt.

Das europäische Mittelalter ist geprägt von der Allgegenwärtigkeit der katholischen Kirche. Besonders die Stellung von Mann und Frau wird durch den Verweis auf die Bibel und hier auf die Schöpfungsgeschichte festgeschrieben. Es wird vor allem die zweite Schöpfungsgeschichte betont, jene mit der Rippe Adams, aus der Eva von Gott gemacht wurde. Daher ist die Frau dem Manne untertan. (Genesis 2, 21 – 24)

Der Begriff der Familie wird durch die Kirche neu definiert. Die Ehe wird zum Sakrament, streng monogam und unauflösbar und hat die Aufgabe für Nachkommen zu sorgen. Seit Augustinus (Hl. Augustinus 351 – 430) ist das Ausleben der Sexualität ein schweres Vergehen, Sex ist nur in der Ehe erlaubt  und nur mit der Absicht ein Kind zu zeugen. Es entsteht die Unterscheidung zwischen ehrbarer Geburt, d.h. ehelicher Geburt und unehrbarer Geburt, also unehelicher Geburt. Unehelich geboren zu sein ist ein schwerer Makel, der durch nichts getilgt werden kann und trifft das Kind und die Mutter, aber nicht den Vater.

Durch das Lehenswesen, der Leihe von Grund und Boden an Vasallen der Fürsten gegen bestimmte Leistungen wie Wehrdienst, Zehent oder Robot kommt es zum System der Afterlehen zu immer kleineren Lehen, bis zur Hube, auch Hufe genannt. Eine Hube muss so groß sein, dass sie nicht nur die Wirtschaftsfamilie ernähren kann, sondern Überschüsse erwirtschaftet, alle Abgaben leisten und bei Bedarf Soldaten stellen kann. Eine Wirtschaftsfamilie besteht aus der Kernfamilie des Lehensnehmers seiner Frau und den gemeinsamen Kinder. Dazu kommt das Gesinde. Das Erbrecht ist als Anerbenrecht, der Unigenitur ausgebildet; auch Frauen können erben

Eine Hube stellt eine Haushalts- und Wirtschaftsfamilie dar, in der alle Mitglieder bestimmte Aufgaben zu erfüllen haben und dadurch ihren Teil zum Funktionieren des „Ganzen Hauses“ beitragen. DerHausvater ist der Vertreter nach außen und als einziger rechtsfähig. Die Hausmutter sorgt durch die Bereitstellung des Essens und die Versorgung von Hausgarten, Kleintieren und Stall sowie aller Arbeiten im Haus und der Versorgung der Kinder für Wohlstand und Zufriedenheit. Sie ist im „Ganzen Haus“ dem Manne gleichgestellt. Die Frauenhaube ist das Zeichen der ehrbaren, verheirateten Frau und kein Zeichen von Unterdrückung. „Unter die Haube kommen“ ist als Spruch bis heute erhalten, wenn es ums Heiraten geht.

Die Hube darf nicht geteilt werden, daher gibt es weichende Erben. Weichende Erben, durch ihre eheliche Geburt ehrbar, können in den Städten ein zunftgebundenes Handwerk lernen, oder Kaufmann werden oder ins Kloster gehen und Priester werden. Es entsteht der Stand des Gesindes, als Mägde und Knechte Haushaltsfamilie, die durch ihre Arbeitskraft zum Ertrag der Hube beitragen. Auch wenn sie unehelich geboren sind, sind sie integrierter Teil des „Ganzen Hauses“ und Mitglieder des Sozialverbandes.

Städte im Mittelalten sind befestigte Siedlungen, d.h., dass sie von einer Mauer umgeben sind. Sie wirken wie Burgen und ihre Einwohner sind Burgbewohner, Bürger. In den Städten, bei den Handwerkern und Kaufleuten bildet sich ein äquivalentes System zum Ganzen Haus aus, das bis zur Industrialisierung Bestand hat. Der aufstrebende Handel, die Kaufmannschaft und das Handwerk schließen sich zu Vereinigungen zusammen. Zünfte, Gilden und Innungen entstehen. Grundbedingung für die Aufnahme in eine Zunft oder Gilde oder in eine Kaufmannsfamilie ist die ehrbare Herkunft. Der Meister und die Meisterin stehen dem Gemeinschaftshaushalt vor. Die Kinder des Paares, alle Lernenden und Gesellen gehören zur Wirtschaftsgemeinschaft.

Dieses Erb-, Ausbildungs- und Familiensystem ist weltweit einzigartig und trägt wesentlich zum Aufstieg Europas bei, denn es gibt viele ehrbar geborene, die Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten nützen und dadurch schließlich durch Fleiß zum Bürgertum aufsteigen oder als Mönche und Priester zu Kulturträgern werden.

Die Frauen im Mittelalter sind stolze Frauen und keineswegs unterdrückt. Auf der Makro-Ebene der Herrschenden wird die „hohe Frau“, die „holde“ Frau in der“ Minne“ besungen und verehrt. Im Klosterwesen sind Äbtissinnen auch in der kirchlichen Hierarchie hoch angesehen. Sie stehen im Rang eines Diakon und stehen in ihrem Kloster auch über dem Bischof. Frauenklöster haben eine besondere Funktion für die Bildung von Frauen. Ich nenne nur einige Frauen, deren Leistungen bis heute nachwirken.

Hildegard von Bingen, deren Kräutermedizin in der Gegenwart wieder sehr gefragt ist, kam als Fürstentochter mit neun Jahren ins Kloster, wurde dort erzogen und ausgebildet und eine bedeutende, angesehene Frau.

712 wird das Nonnenkloster Nonnberg in Salzburg gegründet. Die Äbtissin Erintrudis ist überliefert.

Eine sehr bedeutende Frau ist Hemma von Gurk. 1045 gründet sie die Klöster Gurk und Admont.

Von großer politischer Bedeutung ist Maria von Burgund, die erste Frau von Kaiser Maximilian, die sich mit Nachdruck gegen den französischen König durchsetzt.

Eine Herausragende Frauengestalt im Spätmittelalter ist Jeanne d`Arc, die Jungfrau von Orleans (1412 – 1431). Ihr Schicksal ist bekannt. Als Soldat verkleidet hilft sie den 100jährigen Krieg für Frankreich zu wenden und landet schließlich als Hexe, von allen Männern verlassen und verraten, auf dem Scheiterhaufen. Sie wagte es, als Mann verkleidet das französische Heer zum Sieg zu führen. Das konnte nur durch einen Pakt mit dem Teufel möglich sein. Frauenfeindlichkeit und Aberglauben führten zum Todesurteil

Die Klöster sind die Bildungsträger der Zeit. Durch neue Klosteranlagen in noch unerschlossenen Regionen, verbunden mit der Urbarmachung großer Landgebiete, die durch Rodungen bewohnbar werden, wird nicht nur die christliche Kultur verbreitet, sondern auch die damals moderne Landwirtschaft. Heute sind wir stolz auf unsere altehrwürdigen Klöster.

Äbtissinnen in Klöstern, Meisterinnen, die Handwerksbetriebe leiten, und Kaufmannsfrauen, die  das Handelsunternehmen führen, wenn ihre Männer auf Reisen sind, beweisen, dass Frauen im Mittelalter angesehene Bürgerinnen waren. Das Kriterium für die Stellung der Frau in der mittelalterlichen Gesellschaft ist nicht primär das Geschlecht sondern die Frage der Ehrbarkeit.

Man kann das Mittelalter als Phase der Konsolidierung Europas sehen, das sich in der Zeit der Entdeckungen und der Entwicklung des Rationalismus aus der Vormundschaft der Kirche löst. Das willkürlich gewählte Datum 1492 beendet das Mittelalter.  Die tiefgreifenden Veränderungen, die zur Neuzeit führen, beginnen bereits im Spätmittelalter. Zur Naturalwirtschaft des Feudalismus gesellt sich vermehrt die Geldwirtschaft. Der beginnende Frühkapitalismus führt zum Merkantilismus. Der zunehmende Fernhandel, besonders der Gewürzhandel, macht die Händler reich. (Fugger in Augsburg) Die alte Arbeitsorganisation kann die Ansprüche an Handelsware nicht mehr befriedigen. Die verlangte Ware wird nun in Manufakturen gegen Lohn erzeugt. Der Unterschied zur späteren Fabrik ist nur das Fehlen von Maschinen. Das Verlagswesen wird verstärkt, es wird die Produktion gesteigert. (Verleger sind Großhändler, die das alte Hauswebersystem ausweiten. Sie liefern Garne an Hausweber, diese erzeugen daraus die gewünschten Stoffe und werden dafür bezahlt). Das „Ganze Haus“ beginnt zu zerfallen. Es entsteht das erste Proletariat, lohnabhängige Arbeiter und Arbeiterinnen

Auf der Makro-Ebene Europas bilden sich die führenden Staaten heraus. Das Kaiserreich als Heiliges Römisches Reich, Frankreich, England, und Spanien. Die Regierungsformen ändern sich vom Feudalismus zum Absolutismus, der Regentschaft durch den hohen Adel. Dessen verschwenderischer Lebensstil verliert den Kontakt zum Volk. Die Makro-Ebene erschöpft sich in kriegerischen Auseinandersetzungen um die Vormachtstellung in Europa und der Welt. In  der Welt des Adels ist kein Platz für Frauen an der Macht Daher wirkt Maria Theresia wie ein Fremdkörper, der ausgesondert gehört. Die Persönlichkeit dieser Frau, ihre kluge Art sich mit weitsichtigen Beratern zu umgeben, fasziniert auch heute noch.

Mit dem Einsetzen der Aufklärung, der kritischen Auseinandersetzung mit Fragen wie z.B. der Berechtigung des Gottesgnadentums der Könige und dem „natürlichen“ Vorrecht des Adels entwickelt sich ein neues Bild des Volkes und hier besonders der Bürger. Die „Französische Revolution“1789, als bürgerliche Revolution bricht schließlich die Macht des Adels und des Kirchenadels.

In der Französische Revolution ertönt erstmals der Ruf nach allgemeinen Menschenrechten. Damit wäre die Chance gegeben gewesen das Patriarchat zu beenden. Dem stehen unüberwindliche Widerstände entgegen. Der Kampfruf der Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit schließt Frauen aus. Deshalb ruft Olymp de Gouges im Jahre 1789 den Frauen zu:

„Frauen wacht auf! Die Stimme der Vernunft lässt sich auf der ganzen Welt vernehmen. Erkennt Eure Rechte!

In ihrer „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ kämpft sie um die Einbeziehung der Frauen in die Erklärung der Menschenrechte, da diese sonst nur Männerrechte wären. Olymp de Gouge endet 1793 unter der Guillotine.

Mit der Erstarkung des Bürgertums kommt es auch zu einer stärkeren Differenzierung der verschiedenen Bevölkerungsschichten, den Ständen. Der Stand der Bürger entwickelt ein starkes Standesbewusstsein und übernimmt die Vorbildfunktion, die bisher der Adel innehatte. Ausgehend von England beginnt sich auch in Kontinentaleuropa die Mechanisierung durchzusetzen. Die Erfindung der Dampfmaschine, ihr Siegeszug als Eisenbahn im Verkehr und als Antrieb für Maschinen zur Erzeugung von Waren führen zur Industriellen Revolution, der völlig neuen Arbeitsorganisation und dem Entstehen des Arbeiterstandes. Europas Wirtschaft wandelt sich von der Naturalwirtschaft  düber die Protoindustrialisierung zur Industrialisierung.

Das Bürgertum wird die bestimmende Gesellschaftsschicht. Es entsteht die „Bürgerliche Gesellschaft“. Sie verändert das Patriarchat zum patriarchalischen Prinzip, das alle Lebensbereiche durchdringt. Die Auflösung der Wirtschafts-, Produktions- und Wohngemeinschaft des „Ganzen Hauses“ bewirkt neben der räumlichen Trennung von Wohnort und Arbeitsplatz auch die Entstehung eines neuen gesellschaftlichen Begriffs, der Privatheit. Das Gegensatzpaar öffentlich – privat lässt sich an Begriffsdifferenzierungen zeigen. Zeit wird zerteilt in Arbeitszeit und Freizeit. Es existiert ein Arbeitsleben und ein Privatleben. Es kommt zur Unterscheidung von geistiger Arbeit, der Kopfarbeit und körperlicher Arbeit. Kopfarbeit gewinnt einen hohen gesellschaftlichen Status, denn um sie leisten zu können braucht man eine umfassende Bildung, die nur sozial höher stehenden Schichten zugänglich ist. Körperliche Arbeit wird mit Schweiß, Mühe und Schmutz gleichgesetzt und verliert an Ansehen. Sie wird von der Arbeiterschaft und dem Dienstpersonal verrichtet.

Die bürgerliche Gesellschaft wird die dominierende Schicht und legt ihre Auffassung von Anstand und Ehre, Moral und Unmoral Gehorsam und Disziplin für die gesamte Gesellschaft fest. Das Lebensmuster Ehe und Familie wird als verpflichtend angesehen. Die Frauen werden in das Privatleben abgedrängt und verlieren den Kontakt zur Berufswelt  des Mannes. Der Ehegatte wird zum Versorger der Familie. Aus dem Hausvater wird das Familienoberhaupt und der Haushaltsvorstand mit absolutem Recht über seine Familie.

Aus der „gottgewollten und daher natürlichen Rangordnung“ von Mann und Frau kommt es  nun zur Konstruktion von Männlichkeit und Weiblichkeit.

Der öffentlich -rechtliche Raum wird männlich definiert. Wissenschaft, Bildung, Finanzwesen, Vermögensverwaltung, Rechtswesen, Politik und Kirchenämter stehen nur Männern offen. Ebenso alle Führungspositionen in Handel, Handwerk und Industrie.

Der Rest bleibt den Frauen. Es sind dies alle der Familie dienenden Bereiche wie Haushalt und Kindererziehung. Der starke, lebenstüchtige, im öffentlichen Leben stehende Mann wird zum Beschützer und Versorger der schwachen, unmündigen, nicht rechtsfähigen, nur der menschlichen Reproduktion und dem Dienst an Gesellschaft und Familie verpflichteten Frau. Das gesamte Normensystem der bürgerlichen Gesellschaft wird vom patriarchalischen Prinzip dominiert. Das zum patriarchalischen Prinzip veränderte Patriarchat kennt drei Hauptstränge:

  1. Die Sicherung der Dominanz des Mannes in allen Fragen des Rechts, der Bildung, des Standes, der Politik, Wirtschaft und der Erwerbstätigkeit. Die Formel „Mensch ist gleich Mann“ zieht sich als roter Faden durch die Geschichte.
  2. Der Aufbau und die Bewahrung von gesellschaftlichen und sozialen Kategorien, die eine klare Hierarchisierung der Gesellschaft herbeiführen. Die Hierarchisierung bezieht sich nicht nur auf das Geschlechterverhältnis, sondern auch auf die Rangordnung der einzelnen gesellschaftlichen Schichten, auf Autorität des männlichen Geschlechts, der Geburt , des Standes und des Alters und fordert absoluten Gehorsam und Pflichterfüllung.
  3. Die Trennung der Lebenswelten von Männern und Frauen und die damit verbundene Entstehung von Gender, der kulturbedingten Festlegung von Geschlecht, führt zum Bild des starken, lebenstüchtigen Mann und der schwachen, schutzbedürftigen Frau.

Durch Jahrhunderte und über unzählige Generationen gelten diese drei Punkte. Erst als die Frauen selbst diesen Zustand zu ändern beginnen und sich weder durch autoritären Druck, Verbote oder Anfeindungen einschüchtern lassen, wird die Frauenfrage als gesellschaftliches Problem erkannt.

Haben wir endlich die „gläserne Decke“ durchbrochen?

Was will uns der Begriff „gläserne Decke“ heute noch sagen ? Die „gläserne Decke“ bezeichnet eine unsichtbare Grenze für Frauen, die in sogenannte Männerbereiche vordringen, oder weniger vornehm ausgedrückt, wenn sie sich nicht vom Platzhirschverhalten beeindrucken lassen. Eine viel gebrauchte Version der „gläsernen Decke“ ist auch die Frage: „Was wollen denn die Frauen noch?“

„Gläserne Decke“, „Platzhirschverhalten“, und die oben gestellte Frage verweisen auf den langdauernden, zähen Prozess der Herauslösung der Frauen aus den Vorstellungen  der „Bürgerlichen Gesellschaft“,  über deren Sichtweise der Aufgaben von Männern und Frauen in der Gesellschaft.

Der wirtschaftliche Wandel, hervorgerufen durch die technische Entwicklung im ausgehenden 18. und vor allem im 19. Jhdt. bringen das Ende des „Ganzen Hauses“. Es kommt zu nachhaltigen Veränderungen in den Produktionsweisen, der Arbeitsorganisation und des gesellschaftlichen Lebens. Die Industrielle Revolution bringt den Wandel von der menschenzentrierten Produktionsweise zur maschinenzentrierten Produktion. Der Mensch wird vom manuellen Erzeuger zum Bediener von Maschinen. Die Bürgerliche Gesellschaft wird Träger und Nutznießer dieser Entwicklung. Neben der Bürgerlichen Gesellschaft entsteht eine neue gesellschaftliche Schicht, die Arbeiterschaft. Sowohl das Bürgertum als auch die Arbeiterschaft bringen große Veränderungen für das Leben als Frau.

Die Bürgerliche Gesellschaft verändert das Patriarchat zum patriarchalischen Prinzip. Es etabliert sich ein hierarchisch-autoritäres Rangsystem mit der Konstruktion von Männlichkeit und Weiblichkeit.

Die „Bürgerliche Gesellschaft“ entwickelt die Vorstellung von der Normbiographie der Frau. Alle, der Makro-Ebene befindlichen Bereiche werden der männlichen Lebenswelt zugeordnet, werden männlich definiert und erhalten ein hohes gesellschaftliches Prestige. Die Mikro-Ebene bleibt den Frauen. Es sind dies Familie und Haushalt, das Leben als Ehefrau und Mutter, als verbrauchende, total abhängige Hausfrau. In der „Bürgerlichen Gesellschaft“, die für ihre Mitglieder Ehe und Familie als verpflichtendes Lebensmuster vorschreibt, hängt das Sozialprestige der Frau von dem ihres Mannes ab. Das Lebensmuster Normbiographie der Frau kennt nur die Lebensstufen: Weibliches Kind, Jungfrau und Braut, Ehefrau und Mutter, Witwe.

Die Frau als eigenständige Persönlichkeit verschwindet, sie wird über den Mann definiert: Sie ist Tochter von …, Braut von …, Frau von …, Mutter von …, Witwe von… . Sie sorgt durch ihr moralisches Verhalten und ihren Anstand für die Ehre des Mannes. Als Mutter hat sie die Verpflichtung zur „richtigen“ Erziehung der Kinder, d.h. die Buben auf das Leben als Stammhalter, als Träger des Namens und Erhalter des Ansehens der Familie vorzubereiten, während die Sozialisation der Mädchen ganz auf das Ziel Ehe ausgerichtet ist. Es ist daher streng auf das Bewahren von Anstand und Ehre zu achten.

Die extremste Form der Bürgerlichen Gesellschaft bildet sich im Großbürgertum heraus und wird zum Leitbild der Zeit. Im Großbürgertum verliert die Frau jeden Bezug zur Lebenswelt des Mannes, während in Handel und Gewerbe die Frau durch notwendige Mitarbeit im Geschäft nicht ganz in den Hintergrund gedrängt wird. Das Vorhandensein einer „bürgerlichen Moral“ bezieht sich rein auf das Leben der Frauen. Männer können frei über ihren Lebensstil entscheiden. Sollte das Verhalten zu einem Ärgernis werden, ist sicher eine Frau daran schuld, und deren mangelnde Moral.

„ ,Bürgerlichkeit` definiert sich nicht nur über Besitz, Geburt oder Beruf, sondern auch über ein Normensystem, in dem der Beherrschung und Modellierung des Körpers eine tragende Rolle zukam.“ (Eder 1993)

Die Modellierung des weiblichen Körpers zeigt die Auswirkungen dieser Einstellung. Die rigorosen Moralvorstellungen verhüllen die Frau vom Hals bis zu den Knöcheln. Handschuhe und Hut, Schleier und Sonnenschirm schützen vor zu viel Licht, Luft und Sonne.

„Das weibliche Kleid ist ein Schutzschild der weiblichen Keuschheit.“(Eduard Bertz 1900)

Die heute oft romantisch verklärte Frauenmode des 19. Jahrhunderts ist von Schürleib, Wespentaille, Cul de Paris oder Turnüre gekennzeichnet. Sie  zwingt den Frauen ein Leben auf, das sie kränklich und körperlich wenig leistungsfähig macht. Dies führt zum Bild vom „schwachen Geschlecht“

Eine Frau darf nur über so viel Bildung verfügen, als es ihr zuerst vom Vater und dann vom Ehemann zugestanden wird. Diese Bildungsverweigerung führt zur Vorstellung von der „dümmeren Frau“.

Das Normensystem legt die zarte, inaktive, dem Manne untertänige, züchtige und häusliche Frau als bürgerliches Idealbild fest und erklärt es zum „Wesen der Frau“.

„Unter dieser Rubrik liebte man es zu jener Zeit alle diejenigen Geschöpfe unserer Gattung, die dem weiblichen Geschlechte angehören, unter allgemeinen Gesichtspunkten zu betrachten, und man war gewohnt, den einen tatsächlichen Unterschied, nämlich den Unterschied des Geschlechts, auf beinahe alle Merkmale auszudehnen und sich unter Frauen eine Klasse von Wesen vorzustellen, die in jeder Hinsicht  in geistiger geradeso wie in körperlicher – mit ganz anderen Eigenschaften ausgestattet waren, als ihre männlichen Mitwesen und daher eine Art Neben- oder vielmehr Unterabteilung des Menschentums bildeten….“ (Bertha von Suttner 1889)

Die Bürgerliche Gesellschaft ist auch die Erfinderin des Spielzeugs, da durch das Leben in der häuslichen Privatwelt den Kindern der natürliche Bezug zur Umwelt fehlt. Es ist die Zeit der Steckenpferde und Holzschwerter für Buben und der Puppenstuben für Mädchen. Buben werden von Privatlehrern auf das Leben vorbereitet, denn sie sind Träger des väterlichen Namens und potentielle Erben des Vermögens. Mädchen brauchen keine solche Ausbildung. Für sie gibt es die „schönen Künste“, d.h. Gesang, Klavierspiel und das Wissen um eine sorgsame Haushaltsführung. Die bürgerliche Hausfrau leistet selbst keine Hausarbeit. Diese wird von Dienstpersonal geleistet. Bis heute heißt es: Hausfrauen arbeiten nicht, daher ist Hausarbeit keine Arbeit, es sei denn, sie wird von einem Mann gemacht. Dann wird sie schnell zu Schwerarbeit.

Die bürgerliche Frau ist absolut rechtlos. Die väterliche Gewalt herrscht über Frau und Kinder. Für Buben endet die väterliche Gewalt mit Eintritt in das selbstständige Erwerbsleben und mit der Gründung einer eigenen Familie. Mädchen tauschen die väterliche Gewalt gegen jene des Ehegatten. Als „natürlicher Beruf“ der Frau gilt die Mutterschaft. Allerdings kann dieser Beruf nur in der Ehe ehrenhaft ausgeübt werden. Uneheliche Mutterschaft wird geächtet.

„Es gibt vielleicht in der ganzen Menschheitsgeschichte keine empörendere Tatsache, als die Ächtung der unehelichen Mutterschaft.“ (Rosa Mayreder um 1900)

Die Normbiographie der Frau blendet die Lebensbedingungen aller andren Frauen aus. Die Lebensrealität der vielen, die nicht dem (Groß-)Bürgertum angehören, unterscheidet sich gravierend von den Bedingungen der Normbiographie. Arbeiterinnen und Dienstboten müssen für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen. Die Arbeiterin ist, wie alle zum Stand der Arbeiter gehörigen, in ihrer ganzen Existenz vom Arbeitslohn abhängig. Die neue Sozialgruppe wird charakterisiert durch erbliche Besitzlosigkeit und damit verbundener Daseinsunsicherheit, Verdingung der Arbeitskraft an Besitzer von Produktionsmittel gegen willkürlich festgesetzten Lohn und politischer Rechtlosigkeit. „Arbeiter waren die fluktuierende Infanterie des Kapitals“ (Assion 1988). Dies deswegen, weil sie dorthin ziehen, wo es in den Fabriken Arbeit gibt. Zur Sicherung des Lebens arbeiten Frauen und Kinder in den neu entstehenden Fabriken. Sie bleiben Fremde und schließen sich als neue Sozialgruppe zusammen. Die schwierigen Lebensbedingungen der Arbeiterschaft überschattet das Gespenst von Krankheit und Arbeitslosigkeit, die ein Abgleiten in unvorstellbare Not bedeuten. Die Arbeiterin ist doppelt betroffen, denn auch in der Arbeiterschaft sind Haushalt und Kinder Aufgabe der Frau. Dennoch sind Arbeiterinnen durch ihr Einkommen unabhängiger, freier und nicht so erpicht auf die Ehe. Da sie nicht aus der Schicht des Bürgertums stammen, oft aus der minderen Schicht der nicht ehrbar Geborenen, stehen sie nicht so stark unter dem Druck dem Wesen der Frau zu entsprechen.

Da, nach bürgerlicher Auffassung, keine Frau unversorgt sein kann, werden erwerbstätige Frauen benachteiligt. Ihr Einkommen ist nur ein Zusatzeinkommen und kann daher geringer sein, als das Einkommen des Mannes bei gleichwertiger Arbeit. Da Frauen als schwächer und daher weniger leistungsfähig gelten, scheint es gerechtfertigt zu sein, weniger Lohn zu zahlen. Diese Argumentation ist auch heute noch zu hören.

Im Jahre 1811 erlangt das Erste Bürgerliche Gesetzbuch Gültigkeit. Es legt die Stellung von Mann und Frau nun gesetzlich fest. Seine Sicht der Frau entspricht jener der „Bürgerlichen Gesellschaft“.

„Der Mann ist das Haupt der Familie. In dieser Eigenschaft steht ihm vorzüglich das Recht zu, das Hauswesen zu leiten, es liegt ihm aber auch die Verbindlichkeit ob, der Ehegattin nach seinem Vermögen den anständigen Unterhalt zu verschaffen, um sie in allen Vorfällen zu vertreten“ (ABGB 1811, § 91, ab 1. Jänner 1812 in Kraft, gültig bis 1975)

Ende des 19.Jhdts. wird der Ruf nach einem Recht auf Bildung, Recht auf Arbeit und dem Wahlrecht für Frauen laut. Es ist dies der Beginn des Abschieds von der Normbiographie der Frau und der erste Schritt zur Individualbiographie. Selbständigkeit, sein Leben selbst, nach individuellen Gesichtspunkten gestalten zu dürfen, ist die Zielsetzung der Emanzipation. Der Ruf nach Bildung und Berufsausbildung für Mädchen, die Wahl zwischen Beruf oder Familie, das Erhalten des passiven und  aktiven Wahlrechts sind Hauptanliegen der Frauenbewegung in der zweiten Hälfte des 19.Jhdts. Teilweise werden sie gehört und im 20. Jhdt. umgesetzt. Die österreichischen Frauen erlangen 1918 das Wahlrecht und können es 1919 erstmals ausüben. Die geforderte Zulassung zum Hochschulstudium scheitert vorerst an der fehlenden Vorbildung. Das Mädchenlyzeum in Graz schließt diese Lücke und ab 1897 ist ein reguläres Frauenstudium an der Universität Graz möglich. 1897 an der Philosophischen Fakultät, 1900 an der Medizinischen, 1918 an der Juridischen und 1945 and er Theologischen Fakultät.

Die größten Hürden auf dem Weg zur Individualbiographie scheinen nun beseitigt zu sein

„Das bürgerliche Sozialmodell, das dem Mann die Rolle des Ernährers zuwies, der Frau die Rolle der Herrin im Haus, wurde im Grunde von der Frauenbewegung noch akzeptiert, wenn nicht in der Form, daß die Frau ins Haus gehört, so doch in der abgewandelten Form, daß die Mutter zu ihren Kindern gehöre“. (Pfeil 1966)

Dies führt in weiterer Folge zu der Auffassung, dass die Berufstätigkeit von Mädchen nur als Zwischenstation vor der Ehe betrachtet wird und sich daher keine teure und lange Berufsausbildung lohne. Diese Meinung hält sich bis in die 60er, 70er Jahre des 20.jhdts.

Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch hat in Österreich ein sehr langes Leben. Erst im Jahre 1975 kommt es  zu einer Überarbeitung. Im Familienrecht, es kommt  zur Gleichstellung von Mann und Frau in der Ehe und 1989 erfolgt die Gleichstellung aller Müttermit der neuen Bezeichnung: Alleinerzieherin. Damit hat das Lebensmuster Ehe und Familie seine beherrschende Stellung verloren.

Bis zur Industriellen Revolution war die soziale Verantwortung kleinräumig organisiert. Im „Ganzen Haus“ trug sie der Hausvater, die Gemeinde war für die Versorgung alter, kranker und mittelloser Gemeindeangehöriger zuständig. Diese Lösung ist in der Industriegesellschaft nicht möglich. Da Arbeiter Fremde in der Gemeinde sind, kommt es zur sogenannten „sozialen Frage“. Die Arbeiterschaft beginnt sich zu organisieren und in weitere Folge führt die Vergemeinschaftung zur Gründung der Sozialistischen Arbeiterpartei. Frauen sind prinzipiell gleichberechtigt. Dieser, in der Makro-Ebene der Partei bemerkenswerte, ja geradezu revolutionärer Ansatz findet in der Mikro-Ebene der Partei keinen Niederschlag. Männer nützen die karge Freizeit zur Mitarbeit in Vereinen, Parteiveranstaltungen oder Gasthausbesuchen. Frauen haben keine Zeit für die gewünschte Mitarbeit in den Parteien, denn sie haben die Doppelbelastung von Beruf, Familie und Haushalt zu bewältigen. Diese Tatsache wird von den Parteiführern nicht gesehen, sondern auf Unfähigkeit und mangelnde Einsatzfreude für die Partei zurückgeführt. Die Sozialdemokratische Partei Österreichs ist eine treibende Kraft, um die Bedingungen des alten Bürgerlichen Gesetzbuches durch neue und frauenfreundlichere zu ersetzen.

Mit der Entstehung und Verbreitung des modernen Sports öffnet sich eine neue Möglichkeit für die bürgerliche Frau, sich aus der Umklammerung des vorgeschriebenen Lebens zu lösen. Jetzt sind es die Ärzte, die gegen die Frauen argumentieren. Die bei sportlicher Betätigung auftretende Kurzatmigkeit und Leistungsschwäche wird zu einer angeborenen weiblichen Eigenschaft erklärt und nicht auf das Korsett zurückgeführt. Überhaupt ist körperliche Ertüchtigung für Frauen schädlich und gefährdet die Gebärfähigkeit. Da haben es Arbeiterinnen leichter – sie greifen zur Turnkleidung. Da auch Ärzte Sport zu betreiben beginnen, besonders jene die mit dem Fahrrad fahren, ändert sich die Meinung und gemäßigter Frauensport wird empfohlen. Dies bedeutet einen großen Fortschritt für die Frauen, die Befreiung vom Korsett, das vom Büstenhalter abgelöst wird. Die Debatte um den Frauensport, um die Frage welcher Sport für Frauen geeignet ist, beginnt heute langsam zu verstummen. Neu anerkannt sind Frauenfußball und Schispringen für Frauen.

Durch die Verwirrungen und Veränderungen, die die beiden Weltkriegt bringen, ändert sich nicht nur das Bild der Frau, sondern die Frauen selbst ändern sich. Sie verabschieden sich vom Wesen der Frau und stoßen auf großen Widerstand der Männer, die am patriarchalischen System festhalten wollen. Aber die Frauen haben gelernt, dass sie eigenständig sein können und dass sie nicht mehr bevormundet sein wollen. Wir Frauen haben allerdings einen Fehler gemacht: Wir haben mit unserer Veränderung jene der Männer mitgedacht. Diese umfassende Veränderung beginnt jetzt erst. Es ist eine Generationenfrage und ganz besonders eine Bildungsfrage.

Macht man einen Längsschnitt durch die Kulturschritte in Europa im Hinblick auf die Wertschätzung der Frau, kann man ein ständiges Abnehmen, eine ständige Verringerung dieser Wertschätzung feststellen. Für Europa ist der Tiefpunkt im Glanz und Schein der Bürgerlichen Gesellschaft erreicht. Die Umkehrung beginnt mit dem Wahlrecht, dem Wahlrecht in politischer Form und dem Wahlrecht sein Lebensmuster selbst zu wählen.

Dass es für Frauen noch viel tiefer gehen kann als in der Bürgerlichen Gesellschaft zeigt uns die Gegenwart. Wie steht es um die Frauenrechte in autoritären Gesellschaften, oder in Migrationsgesellschaften in Europa? Es gibt Weltgegenden in denen der Wert von Frauen niedriger ist als jener von Haustieren. Diese Frauen sind unsichtbar, entweder zu Hause eingesperrt oder unter Stoffen verborgen. Machen wir das Elend dieser Frauen sichtbar und lassen wir uns nicht vom der Scheinwelt der Männer blenden.

Die Antwort auf die Frage: „Was wollen die Frauen noch alles?“ kann  so lauten.

„Ein weltweites Ender der Formel Mensch ist gleich Mann und damit verbunden, die Einsicht, dass die Differenzierung der Menschheit in Frauen und Männer nur für den Bestand der Gattung Mensch notwendig ist; die Einsicht dass es jeden noch so prächtigen Mann nicht gäbe, hätte ihn nicht eine Frau geboren. Es geht um die Anerkennung des Menschen Frau.

Dr. Ursula Schimanofsky



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