DIE GESCHICHTE DES VAÖ UND
DER SCHWESTERVERBÄNDE

Wie sich die Akademikerinnen in Europa zusammenschlossen

Der VAÖ, Verband der Akademikerinnen Österreichs, mit Verbandssitz in Wien besteht seit dem Jahr 1922. Er ist die  größte Vereinigung von akademisch gebildeten Frauen Österreichs, mit 6 Landesverbänden (NÖ und Burgenland ist dem LV Wien angegliedert, Vorarlberg ist mit dem LV Tirol vernetzt).
(Wallstein Verlag Göttingen).

›› Anglo-amerikanische Gründung in London
1919 gründeten amerikanische und britische Professorinnen in London den Verband „International Federation of University Women“ kurz IFUW. Diese anglo-amerikanische Gründung beruht darauf, dass in den USA und Großbritannien das Frauenstudium schon in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts möglich war. Es gab demnach schon Professorinnen, vor allem in den sehr renommierten Frauenkollegs in den USA. Ebenso wichtig waren ausreichende finanzielle Ressourcen, um einen Verwaltungsapparat aufzubauen. Auch hier liegt aufgrund der Finanzkraft eine angloamerikanische Gründung nahe. Nach dem Ersten Weltkrieg waren die Ziele des IFUW auf die Gestaltung einer friedlichen und solidarischen „Weltgemeinschaft“ ausgerichtet. Frauen sollten durch Wissen und Bildung auf dieses Ziel hinwirken. Es konnte nur erreicht werden, indem weltweit der Zugang zu Hochschulen und zur Wissenschaft gefördert wurde. Druck auf die Politik sollte durch Knüpfung transnationaler Netzwerke und durch persönliche Freundschaften zwischen Akademikerinnen erhöht werden. Der Austausch studierender, lehrender und forschender Frauen sollte gefördert und ihr Fortkommen in der Wissenschaft unterstützt werden.

›› International vernetzte weibliche Elite
Manche der damaligen Forderungen klingen im Sinne der Gendergerechtigkeit sehr modern, wie etwa gleicher Lohn für gleiche Arbeit an den Universitäten, gleiche Zugangs- und Aufstiegschancen für Frauen in der Wissenschaft und das Recht auf Beruf und Familie. Es ging letztlich um die Etablierung einer international vernetzten weiblichen Elite. Sie waren außerordentlich erfolgreich. 1920 hatte der Verband bereits 15 Mitgliedsländer gewonnen, darunter beispielweise Australien, Belgien, Dänemark, Frankreich, Norwegen, Schweden, Spanien, Südafrika.

›› Elise Richter gründete den österreichischen Verband
1922 wurde die Wiener Romanistin Elise Richter von einer britischen Bekannten gefragt, ob sie bereit wäre, einen österreichischen Verband der Akademikerinnen zu gründen und dem IFUW beizutreten. So geschah es dann auch. Elise Richter war damals 58 Jahre alt und ihre akademische Laufbahn war eng mit der Universität in Wien verbunden. Dort wurde sie 1907 die erste Privatdozentin der alten Donaumonarchie für das Fach Romanistik. 1921, kurz vor der österreichischen Verbandsgründung, die erste außerordentliche Professorin in der neuen Österreichischen Republik. Im deutschsprachigen Wissenschaftssystem war bis nach dem Ende des Ersten Weltkrieges eine kollegiale Freundschaft unter Wissenschaftlerinnen nahezu unbekannt. Intensive Beziehungen kultivierte man ausschließlich zu Männern, so von Oertzen in ihrer Verbandsgeschichte. Dabei ging es darum, sich in der männlichen Welt zu beweisen. Frauen waren fast ausnahmslos Einzelkämpferinnen. Dies gilt z.B. auch für Lise Meitner, die 1906 an der Uni Wien in Physik promovierte, dann aber nach Berlin ging. In ihren Tagebuchaufzeichnungen schreibt Elise Richter, dass sie sich erst durch die Anfrage des IFUW Gedanken darüber gemacht habe, ob andere Frauen vielleicht ähnliche Erfahrungen, Kämpfe und Schicksale wie sie selbst erlebt hätten. Das war ein wesentliches Motiv ihrer Bereitschaft zur Gründung eines österreichischen Verbandes und zur Mitwirkung am IFUW. In der Zwischenkriegszeit vergab der IFUW immer wieder Auslandsstipendien, von denen auch Österreicherinnen profitierten. Bei beruflichen oder privaten Reisen ins Ausland wurde man von Verbänden im Zielland unterstützt. In Washington, London und Paris gab es sogar eigene Clubhäuser des IFUW.

›› Das Aus im Jahr 1938 – Elise Richter kam in einem KZ um
Eine Zäsur des Österreichischen Verbandes brachte das Jahr 1938. Als Zweig einer internationalen Föderation wurde er im Hitler- Regime aufgelöst. Das Schicksal der Gründerin Elise Richter war, dass sie auf Grund ihrer jüdischen Herkunft nach dem Anschluss an das Deutsche Reich ihre Lehrtätigkeit an der Uni Wien verlor, ebenso ihre Arbeit an der Akademie der Wissenschaften. Verarmt lebte sie zusammen mit ihrer Schwester noch bis 1942 in ihrem Haus in Döbling, musste dann in ein Altenheim übersiedeln. Kurz danach wurde sie in das Konzentrationslager Theresienstadt gebracht, wo sie im Alter von 78 Jahren verstarb. Über die näheren Umstände ihres Ablebens finden sich keine genaueren Angaben

›› Wiederbeginn 1948
Nach dem zweiten Weltkrieg kam es 1948 unter der Führung der zwei Universitätsprofessorinnen Dr.in Bertha Karlik, Vorstand des Instituts für Radiumforschung und Kernphysik in Wien und Dr.in Erica Cremer, Vorstand des Physikalisch-Chemischen Instituts in Innsbruck, zur Wiedererrichtung des Verbandes in Österreich. Er gehörte wieder zum weltweiten Verband des IFUW. 2015 wurde dieser umbenannt in GWI Graduate Women International, wegen der Ausweitung tertiärer Bildungsangebote, z.B. der Fachhochschulen.

›› Landesverbände und die Räume in der Stallburg in Wien
In den 1950er-Jahren wurden in Österreich die Landesverbände gegründet, der Linzer Verband hatte sich bereits 1930 konstituiert, der steirische LV 1933, Salzburg 1952. Im selben Jahr konnte der VAÖ-Dachverband in Wien Räumlichkeiten in der Reitschulgasse 2, direkt über den Stallungen der Lipizzaner anmieten. So hat der Verband bis heute einen wichtigen, zentral gelegenen Standort. 2006 wurden die Räume renoviert und bieten seither ein gutes Ambiente für Generalversammlungen, Vorträge, Jubiläen und Geselligkeiten des Verbandes.

Wenn Sie auf «Alle Cookies akzeptieren» klicken, stimmen Sie der Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät zu, um die Bedienung der Website zu verbessern, die Nutzung der Website zu analysieren und unsere Marketingbemühungen zu unterstützen. Lesen Sie unsere Datenschutzrichtlinie für weitere Informationen.